Wochenrückblick KW46Millionenschwere Entscheidungen und keine Konsequenzen für Staatstrojaner-Firmen

Diese Woche feiern wir den Start unserer Spendenkampagne, während sich deutsche Sicherheitsbehörden auf der BKA-Herbsttagung feiern. In Berlin übt sich die Bundesregierung in Toleranz gegenüber Staatstrojaner-Firmen und Lieferfahrer*innen protestieren gegen schlechte Arbeitsbedingungen.

Ein Mutterflusspferd badet mit einem Babyflusspferd im Wasser.
Friedlich Dösen im November – ähnlich wie die Bundesregierung beim Thema Sanktionen gegen Staatstrojaner-Firmen – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Henrik Hansen

Das Jahr neigt sich dem Ende zu, aber unsere diesjährige Spendenkampagne #1MillionForDigitalRights hat gerade erst angefangen! Eine Million Euro brauchen wir für ein Jahr netzpolitik.org. Eine Million für ein ganzes Jahr unabhängigen und kritischen Journalismus: Denkanstöße, Meldungen, Kommentare, politischen Druck, Aufklärung, investigative Recherchen und Leaks.

Seit vielen Jahren berichten wir konsequent über Politik für die digitale Gesellschaft. Dabei legen wir uns auch mal mit Geheimdiensten und der Überwachungsindustrie an. Wir halten dagegen, ob gegen neue Überwachungsbefugnisse oder die Einschränkung des Versammlungsrechts. Und in Pressekonferenzen fühlen wir dem Innenminister so lange auf den Zahn, bis er mit den Augen rollt.

Das Ganze wird fast ausschließlich von euren Spenden finanziert. Damit wir so weitermachen können, brauchen wir eure Unterstützung: Nur wenn wir eine Million Euro zusammenbekommen, können wir unser jetziges Team im nächsten Jahr beibehalten und unsere Berichterstattung ausbauen. Damit wir unser Spendenziel für 2021 erreichen, fehlen derzeit noch mehr als 400.000 Euro. Mit eurer Spende könnt ihr den Unterschied machen. Spende jetzt für digitale Freiheitsrechte!

Daumen hoch für freie Software

Weg mit dem Daumen runter, findet YouTube und zeigt künftig nicht mehr an, wie viele Dislikes ein Video hat. Das kommt bei einigen User:innen gar nicht gut an. Unser Autor Sebastian Meineck dagegen freut sich, dass das Hassfeature endlich von der Plattform verschwindet. In seinem Kommentar lest ihr, warum er meint, dass der Daumen nach unten schon lange überflüssig war.

Einen fetten Daumen nach oben gibt es von uns dagegen für alle, die sich für freie Software stark machen. Denn ohne Open-Source-Programme würden viele der wichtigsten Infrastrukturen im Netz nicht so reibungslos funktionieren. Obwohl fast alle von der Software profitieren, liegt ihre Wartung oftmals nur in den Händen weniger. Zu Unrecht, findet die Open Knowledge Foundation und fordert ein Millionenprogramm zur Unterstützung von Open Source. Markus Reuter hat sich die Forderung genauer angeschaut.

Um sechsstellige Geldsummen geht es in dieser Woche auch bei TikTok. Satte 92 Millionen Dollar legt das Unternehmen auf den Tisch, damit nicht vor Gericht festgestellt werden muss, ob TikTok jahrelang die Gesichter seiner Nutzer:innen ohne Zustimmung biometrisch erfasst hat. Das Geld geht an Nutzer:innen in den USA. Im Bericht von Chris Köver erfahrt ihr, was dabei für einen einzelne:n User:in tatsächlich herausspringt und warum sich Nutzer:innen aus dem Bundesstaat Illinois besonders freuen dürften.

Geschichten vom Abhören und Aufrüsten

Wenn es um die Staatstrojaner-Firmen NSO und Candiru geht, tun die USA viel und die Bundesregierung – offenbar nichts. Anstatt wie die Vereinigten Staaten Sanktionen gegen die Firmen zu verhängen, will Deutschland anscheinend weiter Geschäfte mit ihnen machen können. Die USA greifen da schon härter durch: Dort stehen NSO und Candiru seit zwei Wochen auf einer Sanktionsliste, weil ihre Produkte die internationale Ordnung bedrohen. „Die USA bestrafen die Staatstrojaner-Hersteller für Menschenrechtsverletzungen, Deutschland belohnt diese Firmen“, analysiert Andre Meister .

Staatstrojaner gefallen den deutschen Polizeien gut, schließlich glauben sie damit in- und außerhalb des Cyberraums für Sicherheit zu sorgen. So ungefähr hat es Jana Ballweber zumindest auf der BKA-Herbsttagung gehört. Was sie auf dieser Exkursion der besonderen Art noch alles gelernt hat, könnt ihr in ihrem Erfahrungsbericht nachlesen.

Aufrüstung bei Frontex: 3,76 Millionen Euro steckt die Europäische Union in halbautomatische 9×19-mm-Pistolen und Munition für die europäische Grenzagentur. Die Waffen kommen von einem Hersteller aus Österreich. Mit seiner „Ständigen Reserve“ verfügt die EU erstmals über eine uniformierte und bewaffnete Polizeieinheit. Dabei ist umstritten, ob Frontex überhaupt Waffen kaufen, lagern und transportieren darf. Matthias Monroy berichtet.

In den USA nutzen mittlerweile dutzende Gefängnisse eine automatisierte Software namens Verus, um Telefongespräche ihrer Gefangenen abzuhören und auszuwerten. Eigentlich wollen die Behörden damit Bandenkriminalität und Gewaltverbrechen bekämpfen. Mittlerweile scannt die Software aber auch anscheinend harmlose Anrufe – und filtert genau die Gespräche heraus, die der Gefängnisleitung irgendwann mal unangenehm werden könnten. Warum die Gefangenen der Software damit einmal mehr schutzlos ausgeliefert sind, lest ihr im Bericht von Christina Braun .

Der Europarat hat nun beschlossen, dass Ermittlungsbehörden und Staatsanwaltschaften Internetanbieter in anderen Staaten zukünftig ohne dortigen Gerichtsbeschluss zur Herausgabe von Daten ihrer Nutzer:innen zwingen können. Matthias Monroy berichtet, um welche Daten es genau geht und was das für Folgen haben könnte.

Die Pandemie und ihre IT-Systeme

Viele Bundesländer wollen den steigenden Corona-Inzidenzen mit einer 2G-Regelung entgegenwirken. Doch es gibt weiterhin Probleme mit gefälschten digitalen Impfnachweisen. Jana Ballweber hat sich angeschaut, welche Maßnahmen gegen Fälschungen das System erlaubt – und welche nicht.

Auch nicht gerade wegen ihrer Sicherheit berühmt ist die Luca-App. 13 Bundesländer nutzen sie trotzdem. Mit einer Änderung im Infektionsschutzgesetz könnte die staatliche Corona-Warn-App bald zum Regelfall für die Kontaktverfolgung werden. Alexander Fanta hat sich das Vorhaben der Ampel-Parteien genauer angeschaut.

EU, deine Digitalisierung

Update zum Digitale-Services-Act: Das große Reformvorhaben der EU für die digitale Welt nimmt langsam Form an. Erst vorige Woche haben die EU-Staaten eine gemeinsame Position zum verwandten Digitale-Märkte-Gesetz beschlossen, das unfaire Praktiken durch große Plattformen wie Google oder Amazon beenden soll. Mitte der Woche war dann auch das Digitale-Dienste-Gesetz dran. Es soll den Umgang mit illegalen Inhalten im Netz EU-weit regeln. Was der Rat der EU-Staaten von dem Entwurf hält und ob wir uns auf eine EU-weite Regulierung à la Netzwerkdurchsetzungsgesetz einstellen können, erfahrt ihr im Artikel von Alexander Fanta .

Nein, nein und nochmals nein. Der EU-Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona erteilt der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung erneut eine Absage . Gerichte aus Deutschland und Irland hatten dem EuGH Fragen zur Speicherung von Verkehrsdaten vorgelegt – dabei liegt die letzte Anfrage aus Frankreich und Großbritannien noch gar nicht so lange zurück. Warum auch der EU-Generalanwalt da nur noch genervt mit dem Kopf schütteln kann, erfahrt ihr im Bericht von Anna Biselli .

Weniger erfreuliche Neuigkeiten gibt es in Sachen „Chatkontrolle“. Schon lange steht diese Form der „präventiven Massenüberwachung“ wegen Gefahren für Privatsphäre, IT-Sicherheit, Meinungsfreiheit und Demokratie in der Kritik. Dennoch haben sich die Innenminister der EU-Staaten in einer Stellungnahme jetzt für die Einführung der Chatkontrolle ausgesprochen. Hintergrund ist ein geplantes Gesetzespaket zur Eindämmung von sexuellem Kindesmissbrauch, das die EU-Kommission bald vorstellen will. Warum die Chatkontrolle das Ende von verschlüsselter Kommunikation bedeuten könnte, erfahrt ihr im Bericht von Markus Reuter .

Vom Aufstand der Gorillas-Rider und einem Filmprojekt gegen sexualisierte Gewalt

Vor drei Jahren hat ein Mann die Besucher:innen des Techno-Festivals Monis Rache heimlich auf Dixi-Klos gefilmt. Danach landeten die Aufnahmen auf der Pornoplattform xHamster. Ein Dokumentarfilm will den Betroffenen nun eine Stimme geben. Dafür sucht das Team mit einem Crowdfunding noch finanzielle Unterstützung. Was die Initiatorin des Filmprojekts Natasha Zakharova genau geplant hat und warum es so wichtig ist, dass die Betroffenen selbst über die bildbasierte sexualisierte Gewalt erzählen, lest ihr im Artikel von Ingo Dachwitz .

Fahrradkurier:innen von Lieferdienst-Apps wie Gorillas sind aus deutschen Innenstädten schon lange nicht mehr wegzudenken. Doch ihre Beschäftigten arbeiten oft unter miesen Bedingungen. Bei Gorillas in Berlin regt sich Widerstand gegen die Ausbeutung. Franziska Rau war auf einer ihrer Demos und berichtet, was die Rider über ihre Arbeitsbedingungen erzählen.

Ist dein Hund auch immer so traurig, wenn du nicht da bist? Vielleicht freut er sich über diese Nachricht: Um seinen Hund vom Bellen abzuhalten, hat ein Teenager dem Mini-Controller Arduino beigebracht, Bellen zu erkennen – und spielt dem Hund dann die Stimme seiner Mutter zur Beruhigung vor. Markus Reuter verrät euch, wie das funktioniert, und wo ihr die Anleitung zum Nachbauen findet.

Wir wünschen euch und euren Haustieren ein schönes Wochenende!

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

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